Social Media Handbook
Barrierefreiheit:
Digital barrierefreier kommunizieren
In diesem Artikel:
1. Digitale Barrierefreiheit - Ein Überblick
1.1 Behindertenrechtskonventionen der Vereinten Nationen (UN-BRK)
1.2 Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1.)
1.3 Umsetzung des European Accessibility Act (EAA) im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV)
1.4 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) §12a Barrierefreie Informationstechnik
2. Barrierefreiheit von Anfang an mitdenken
2.1 Die Auswirkungen des digitalen Wandels auf gesellschaftliches Engagement
2.2 Barrierefreie User Experience als Hilfe für alle Nutzer*innen
3. Barrierefrei Posten auf Social Media
3.1 Bildbeschreibungen/Alternativtexte
3.2 Übersetzung eurer Texte in Leichte Sprache
3.3 Übersetzung eurer Texte in Einfache Sprache
3.5 Kontrastreiche Designs erstellen
4. Barrierefreiheit bei digitalen Veranstaltungen sicherstellen
4.1. Bedarfe vorher abfragen und Barrierefreiheit sicherstellen
4.2. Barrierefreiheit auf Zoom
Mit Barrierefreiheit bringen bislang viele die Frage der Zugänglichkeit zu öffentlichen Räumen in Verbindung. Doch auch im digitalen Raum und auf Sozialen Medien ermöglicht erst die Umsetzung von Barrierefreiheit, dass alle Menschen digitale Inhalte wahrnehmen und selbstbestimmt mit diesen interagieren können. Die Digitalisierung bietet uns neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe und des demokratischen Dialogs. Doch überall, wo Teilhabe entsteht, entsteht auch die Gefahr des Ausschlusses. Wenn Texte auf Websites ausschließlich in komplizierter Sprache verfasst sind, Videos keine Untertitel haben und Bildbeiträge nicht mit Alternativtexten ergänzt werden, können insbesondere Menschen mit körperlichen, geistigen und kognitiven Behinderungen diese Informationen nicht gänzlich verstehen, folglich auch keine Stellung dazu beziehen und am Diskurs partizipieren.
Ergebnisse einer aktuellen Trendanalyse der Aktion Mensch, in der die Herausforderungen der Digitalisierung für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung untersucht wurden hat gezeigt, dass insbesondere “die wachsende Vielfalt der digitalen Möglichkeiten in Arbeit und Bildung großes Potenzial für die digitale Inklusion” erwarten lassen – vorausgesetzt barrierefreie Infrastrukturen werden flächendeckend umgesetzt und die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen akzeptiert und unterstützt (Trendstudie zur digitalen Teilhabe).
Damit digitale Räume für alle Menschen zugänglich und damit erst wirklich demokratisch und sozial sind, braucht es ein grundlegendes Verständnis für die Relevanz und Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit. Diese schaffen nicht nur inklusive Teilhabechancen, sondern haben auch nennenswerte Vorteile für Nutzer*innen ohne Einschränkungen und Behinderungen.
In diesem Artikel geben wir einen Überblick über das Thema digitale Barrierefreiheit, gehen darauf ein, wie digitale Barrieren aussehen und worauf ihr bei der Erstellung barrierefreier Inhalte achten solltet. Wir stellen euch nützliche Funktionen auf den Sozialen Netzwerke vor und verlinken euch hilfreiche und lehrreiche weiterführende Informationen.
Digitale Barrierefreiheit – Ein Überblick
In Deutschland gelten 7,8 Millionen Menschen, knapp 10% der Bevölkerung, als schwerbehindert. Durch die Umsetzung von Barrierefreiheit bei eurem Online-Auftritt zeigt ihr, dass ihr soziale und digitale Teilhabe schützt und fördert. Gleichzeitig setzt ihr Anforderungen um, die bislang vor allem öffentliche Anbieter in die Pflicht nahmen, digitale Barrierefreiheit umzusetzen, doch in Zukunft auch für private und wirtschaftliche Unternehmen in der gesamten EU zu gesetzlichen Bestimmungen werden.
Hier eine Übersicht über die bislang geltenden Bestimmungen:
Behindertenrechtskonventionen der Vereinten Nationen (UN-BRK)
Nach Artikel 21 der UN-BRK verpflichten sich alle Vertragsstaaten dazu, geeignete Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit, einschließlich der Freiheit, sich Informationen und Gedankengut zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben, gleichberechtigt mit anderen und durch alle von ihnen gewählten Formen der Kommunikation im Sinne des Artikels 2 ausüben können.
Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.1.)
Die WCAG umfassen einen internationalen Standard des World Wide Web Consortiums (W3C) zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten. Dies beinhaltet die Verpflichtung zu Vorkehrungen für Blindheit und Sehbehinderung, Gehörlosigkeit und nachlassendes Hörvermögen, eingeschränkte Bewegungsfähigkeit, Sprachbehinderungen, Fotosensibilität und Kombinationen aus diesen Behinderungen sowie einige Vorkehrungen für Lernbehinderungen und kognitive Einschränkungen.
Umsetzung des European Accessibility Act (EAA) im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV)
Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde im Juli 2021 der European Accessibility Act (EAA) ins nationale Recht überführt. Nach dem BFSGV gilt ab dem28.06.2025 Barrierefreiheit als Pflicht für einzelne Produkte und Dienstleistungen. Dazu zählen unter anderem Hardwaresysteme, Websites und Apps sowie elektronische Ticketdienste.
Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) §12a Barrierefreie Informationstechnik
Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sind öffentliche Stellen verpflichtet, ihre Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für die Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet, barrierefrei zu gestalten. Schrittweise, spätestens bis zum 23. Juni 2021.
Barrierefreiheit von Anfang an mitdenken
Um die digitale Kommunikation und Information rund um eure Organisation für alle Menschen zugänglich zu gestalten, ist die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit Voraussetzung – im besten Fall von Anfang an. Bestehende Websites und Online-Kanäle im Nachhinein barrierefrei zu gestalten ist aufwändig, teuer und zumeist ist auch das Ergebnis qualitativ schlechter. Effizienter ist es, Barrierefreiheit gleich von Beginn mitzudenken und euren Online-Auftritt mit den Standards für digitale Barrierefreiheit abzugleichen.
Die Aktion Mensch e. V. bietet mit ihrem Förderprogramm Barrierefreiheit für Alle diverse Projektförderungen an, um die nachhaltige Umsetzung von (digitaler) Barrierefreiheit zu unterstützen. Vielleicht kommt auch euer Verein für eine Förderung in Frage.
Die Auswirkungen des digitalen Wandels auf gesellschaftliches Engagement
Aktuelle Studien zur Mediennutzung zeigen, dass die Großzahl an Engagement-interessierten Menschen den Erstkontakt zu potenziellen gemeinnützigen Vereinen und Organisationen über den digitalen Weg aufnehmen. Über Social-Media-Kanäle und Websites finden Interessierte Informationen zu eurer Organisation und euren Projektinhalten und der erste Kontakt läuft nicht selten über die Direktnachrichtendienste der Sozialen Medien ab.
Doch nicht nur die Kommunikation hat sich in den digitalen Raum verlagert. Auch die Form des Engagements hat sich durch die Ausweitung der Digitalisierung verändert. Interessierte und Engagierte bevorzugen es vermehrt, sich ortsunabhängig, kurzfristig und digital zu engagieren. So sind digitalen Medien die Hauptquellen der Aktivierung von politischer Beteiligung bei Jugendlichen.
Die Bereitstellung barrierefreier Inhalte sowie Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten ermöglicht euch, eine weitaus größere Zielgruppe mit euren Themen zu erreichen, zu sensibilisieren und schließlich zur Partizipation einzuladen. Ein Vorteil für alle!
Barrierefreie User Experience als Hilfe für alle Nutzer*innen
Bei der Verlagerung etlicher gesellschaftlicher Bereiche in den digitalen Raum macht es Sinn, den Besuch im Netz so angenehm wie möglich zu gestalten. Umso weniger Barrieren bei der User Experience auftreten, desto mehr Interaktion findet auf den Plattformen und mit den Inhalten statt.
Digitale Barrierefreiheit dient in erster Linie dem Zweck der Inklusion. Nichtsdestotrotz bietet sie auch entscheidende Vorteile für alle Nutzer*innen.
Zum Beispiel macht die Übersetzung von informationsreichen Texten in Leichte Sprache es für alle Leser*innen leichter, die wichtigsten Informationen auf einen Blick zu erfassen. Gleichzeitig können Videos mit Untertitelung geschaut werden, ohne den Ton dabei aktivieren zu müssen – ein nützliches Tool in öffentlichen Räumen oder einfach beim schnellen Durchscrollen. Ein weiterer entscheidender Vorteil für eure Organisation ist die Einbindung von Beschreibungstexten, Alternativtexten und Bildunterschriften. Je mehr Informationen zu euren Inhalten zur Verfügung stehen, desto besser steht es um euer Suchmaschinenranking. Letztlich sind alle Suchmaschinen und Algorithmen blind und Algorithmen zieht ihr mit mehr verfügbaren Informationen auf eure Seite.
Barrierefrei Posten auf Social Media
Die Inhalte auf den Sozialen Netzwerken sind so facettenreich und vielseitig wie die verschiedenen Netzwerke selber. Auch für eure Online-Kommunikation stehen euch auf Social Media zahlreiche Funktionen zur Verfügung, um eure Arbeit vorzustellen und abwechslungsreich über eure Projekte zu berichten. Und auch hier gilt: Damit Soziale Netzwerke erst wirklich sozial sind, müssen sie zugänglich für alle Menschen sein. Die Plattformen haben in den letzten Jahren hilfreiche Optionen eingeführt, um euch bei der Erstellung barrierefreier Inhalte zu unterstützen.
Bildbeschreibungen/Alternativtexte
Alternativtexte, oder auch Bildbeschreibungen, dienen zur knappen Beschreibung grafischer Inhalte und machen diese für Menschen mit Sehbehinderungen verständlich, indem sie von Screenreadern vorgelesen werden können. Alternativtexte bereitet ihr, wie eine Caption auch, vor Veröffentlichung eures Beitrags vor und formuliert aus, was auf eurer Grafik oder eurem Bild zu sehen ist. Gute Alternativtexte sollten, je nach Umfang der Grafik, etwas mehr Zeichen als die u.a. auf Facebook empfohlenen 80 Zeichen lang sein. Den meisten Menschen mit Sehbehinderung kommt es darauf an, Informationen zu Emotionen, Stimmung, Personenbeschreibungen zu erhalten, um diese besser einordnen zu können. Screenreader können Grafiken ohne manuell geschriebene Alternativtexte bislang nur unzureichend beschreiben, wodurch das Gefühl des gesellschaftlichen Ausschlusses bei den Betroffenen verstärkt wird.
So findest du die Alternativtext-Funktion, wenn du einen Post auf Instagram vorbereitest.
So findest du die Alternativtext-Funktion, wenn über die Meta Business Suite auf Instagram und/oder Facebook postest.
Übersetzung eurer Texte in Leichte Sprache
Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form der deutschen Standardsprache und stellt ein wichtiges Mittel zur Inklusion dar. Menschen mit kognitiven Einschränkungen, geringer Lesefähigkeit oder geringen Sprachkenntnissen fällt es schwer lange und verschachtelte Sätze lesen und verstehen zu können. Damit auch sie selbstbestimmt an euren Inhalten teilhaben können, hilft es, wenn ihr eure Texte in Leichter Sprache verfasst oder eine Beschreibung in Leichter Sprache zur Standardsprache hinzufügt. Bei der Übersetzung kommt es insbesondere darauf an, Texte auf Wort- und Satzebene, sowie auch inhaltlich, stark zu vereinfachen.
Texte in Leichter Sprache können im Übrigen zum besseren Verständnis für alle Leser*innen beitragen. Insbesondere umfangreiche Informationen sind in vereinfachter Satz- und Wortstruktur leichter zu verstehen.
Hier findet ihr spannende Hintergrundinformationen zur Relevanz und Erstellung von Texten in Leichter Sprache.
Ein Beispiel für angewandte Leichte Sprache in einem Instagram-Post unseres Smart Heroes Natalie Dedreux.
Quelle: Natalie Dedreux auf Instagram
Übersetzung eurer Texte in Einfache Sprache
Die Formulierung eurer Inhalte in Einfacher Sprache ist ein weiteres, wichtiges Tool zur Inklusion und unterscheidet sich in Ausgangslage, Regeln und Zielgruppen etwas von der Leichten Sprache. Während Leichte Sprache sich insbesondere auf die Inklusion von Menschen mit kognitiven Behinderungen und Lernbehinderungen fokussiert, richtet Einfache Sprache sich an Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen sowie geringen Sprachkompetenzen. Einfache Sprache steht im Anforderungsbereich zwischen Leichter Sprache und Standardsprache. Bei der Übersetzung eurer Texte in Einfache Sprache gelten im Prinzip die gleichen Regeln wie bei Leichter Sprache, die Sätze können aber komplexer sein und der zulässige Wortschatz ist größer.
Hier findet ihr mehr Infos zum Unterschied zwischen Leichter Sprache und Einfacher Sprache.
Untertitelte Videos
Untertitel in euren Videos sorgen dafür, dass Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen eure Reels, Videos und Co. ebenfalls sehen und verstehen können. Aber nicht nur für Menschen mit Behinderungen sind Untertitel hilfreich. Auch beim Scrollen auf Social Media in öffentlichen Räumen sind Untertitel hilfreich, um den Inhalt eines Videos zu verstehen, ohne die Audiospur laut laufen zu lassen.
Fast alle Plattformen bieten die Generierung automatischer Untertitel an. Bei einigen Plattformen, zum Beispiel TikTok, können diese im Nachhinein editiert werden, falls der Technik Fehler unterlaufen sein sollten. Je nach Plattform ist es ratsam, eigene Untertitel über ein Programm einzufügen. Hier kommt ihr zu unseren Empfehlungen.
Kontrastreiche Designs erstellen
Eine einfache Möglichkeit, barrierearme Grafiken und Bilder für Social Media zu erstellen, ist die Nutzung kontrastreicher Elemente. Achtet bei der Erstellung eurer Designs darauf, starke Kontraste zu verwenden, sodass Hintergrund und Vordergrund leicht voneinander zu unterscheiden sind und auf denen die Schrift groß und leicht leserlich ist. So können Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit, ältere Menschen sowie die Screenreader eure Grafiken erkennen.
Barrierefreiheit bei digitalen Veranstaltungen sicherstellen
Insbesondere nach dem Corona-Lockdown ist es für viele Organisationen effizienter und nachhaltiger geworden, einige Veranstaltungen, Konferenzen oder Netzwerktreffen digital zu veranstalten. Genauso wichtig wie der barrierefreie Zugang zu analogen Veranstaltungen ist die Barrierefreiheit bei digitalen Treffen.
Bedarfe vorher abfragen und Barrierefreiheit sicherstellen
Eine gute Möglichkeit, die Bedarfe eurer Gäste für eine barrierefreie Teilnahme zu kennen, ist durch die Abfrage nach Unterstützungsbedarfen mithilfe eines Anmeldeformular zu eurer Veranstaltung. Ob Gebärdensprachdolmetscher*innen, Übersetzer*innen in Leichte oder Einfache Sprache, Live-Untertitelungen benötigt werden oder sonstige Bedarfe bestehen - Interessierte an eurer Veranstaltung können im Vorhinein ihre Bedarfe anmelden, sodass ihr euch rechtzeitig um die Organisation kümmern könnt. Auch hier gibt es von Vereinen, wie der Aktion Mensch, finanzielle Förderprogramme.
Barrierefreiheit auf Zoom
Wenn ihr zu einer digitalen Veranstaltung auf Zoom einladet, stehen euch hier einige Funktionen zur Barrierefreiheit zur Verfügung.
Optionen für Untertitel und Transkription
Zoom bietet die Option der automatisch generierten Untertitel für elf Sprachen an – darunter auch Deutsch. Es gibt ebenfalls die Möglichkeit der manuellen Untertitel, die während des Meetings von einer Person verfasst werden können.
Option des zweiten Audiokanals für Dolmetscher*innen
Während eurer Zoom-Veranstaltung habt ihr ebenfalls die Möglichkeit, eine Live-Übersetzung, z.B. in Leichte oder Einfach Sprache, auf einem zweiten Audiokanal zu ermöglichen. Die Teilnehmenden können während der Meetings, je nach Bedarf, einfach per Klick zwischen dem Original-Audiokanal und dem zweiten Audiokanal wechseln.
Videooptionen für Gebärdensprache
Über die Funktion des Multi-Spotlights kann der Host des Meetings beliebig viele Videokacheln in den Fokus setzen, sodass sie für alle Teilnehmenden groß und prominent angezeigt werden. Die Option des Multi-Pinnings erlaubt den Teilnehmenden die Videokacheln beliebig anzuordnen und die für sie relevanten Kacheln anzuheften. So können zum Beispiel die Videokacheln von Gebärdensprachdolmetscher*innen stets sichtbar platziert werden.
Hier findet ihr weitere Informationen zu Einstellungen barrierefreier Optionen auf Zoom.